Raum für Zukunft: Die Elisabeth-Selbert-Schule setzt Maßstäbe für nachhaltiges Lernen

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Die Elisabeth-Selbert-Schule in Wiesbaden zeigt, wie nachhaltiges Lernen heute aussieht. Der neue Bildungsort bietet nicht nur innovative Räume, sondern stiftet sozialen Mehrwert, der auf den ersten Blick unsichtbar bleibt – und bildet so das Fundament einer zukunftsfähigen Gemeinschaft. Das Gespräch mit den Architektinnen Muna Aziz-Bilen und Julia Auel von Dorsch Engineers zeigt, wie nachhaltige Urbanisierung an der Elisabeth-Selbert-Schule konkret Gestalt annimmt.

Entrance of Elisabeth Selbert School

Ähnlich wie das Fundament eines Gebäudes bleibt auch der soziale Mehrwert nachhaltiger Architektur für das Auge oft unsichtbar. Die Elisabeth-Selbert-Schule in Wiesbaden ist ein Beispiel dafür, wie innovative Schularchitektur weit über das Sichtbare hinaus wirkt: Sie schafft Räume für Gemeinschaft, individuelles Lernen und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das Projekt steht für nachhaltige Urbanisierung, bei der Architektur, Pädagogik und soziale Innovation ineinandergreifen.

Lernhäuser statt Flure – Gemeinschaft und Vielfalt

Von den herkömmlichen ‚Klassenraum-Flur-Schulkonzepten‘ ist bei der Elisabeth-Selbert-Schule nichts zu merken: Stattdessen lernen rund 1.200 Schülerinnen und Schüler in einer Art Dorfgemeinschaft. Die Architektinnen Muna Aziz-Bilen und Julia Auel von Dorsch Engineers in Wiesbaden verantworteten die Planung und Bauüberwachung des innovativen Neubaus – und beschreiten dabei neue Wege.

Transparent gestaltete Lernhäuser, gemeinschaftlich genutzte Bereiche und eine Mensa im Verbindungsbauteil, eine Pausen-Dachterrasse auf der Zwei-Feld-Sporthalle und extensiv begrünte Dächer: Das sind nur einige der Besonderheiten des neuen Gymnasiums im Wiesbadener Stadtteil Dotzheim. 

„Die Schule soll den Kindern individuelle Lernumgebungen bieten und vielfältige Unterrichtsformen ermöglichen. Gleichzeitig müssen dabei die Herausforderungen der Digitalisierung, Inklusion und Ganztagsschule beantwortet werden", erklärt Muna Aziz-Bilen. Das Schulgebäude besteht aus sechs Bauteilen, die je nach Lage auf dem leicht geneigten Grundstück drei- bis viergeschossig geplant sind. Im Mittelpunkt stehen Lernhäuser, die in separaten Bauteilen gruppiert werden. Die Aula bildet den Verbindungsteil in der Mitte – hier sind Mensa, Verwaltung, Mediathek, Bibliothek und Sporthalle angegliedert.

„Wir haben bereits im Vorentwurf unsere Ideen und Projekterfahrungen aus der Planung und dem Bau von den amerikanischen Schulen in Ramstein und der Kaiserslautern High School mit einfließen lassen", sagt Julia Auel. Das Raumprogramm entstand in einem partizipativen Prozess: Lehrkräfte, Bildungsplaner und Experten der Stadt Wiesbaden und des Landes Hessen entwickelten gemeinsam die Lösungen. Regelmäßige Planungstreffen und Nutzer-Jour-Fixe stellen sicher, dass das Konzept lebendig bleibt und sich an neue Anforderungen anpasst. 

„Normalerweise gibt es ein festgeschriebenes Konzept. Hier wurde das Raumprogramm der Schule von einer Planungsgruppe, bestehend aus Lehrerinnen und Lehrern, Bildungsplanern und auch Experten aus Ämtern der Stadt Wiesbaden und des Landes Hessen erarbeitet", erklärt Muna Aziz-Bilen.

Nachhaltigkeit sichtbar und unsichtbar – Von Dachbegrünung bis Digitalisierung

Die Elisabeth-Selbert-Schule setzt auf nachhaltige Bau- und Betriebskonzepte. Die Gebäudehülle kombiniert vorgefertigte Holztafelbauelemente mit einer flexiblen Stahlbetonstruktur. Begrünte Dächer und Fassaden verbessern das Mikroklima, Photovoltaikanlagen erzeugen Strom für den Eigenbedarf. Die Schule nutzt Fernwärme und verzichtet auf aktive Kühlung. Nistmöglichkeiten für Fledermäuse und Vögel unterstreichen den naturnahen Ansatz.

Im Inneren sorgen lichtdurchflutete Räume, hochwertige Akustik, gutes Raumklima und digitale Infrastruktur für optimale Lernbedingungen. Die Schule bietet WLAN und Smartboards in allen Lernhäusern. Das Konzept integriert Ganztagsbetreuung, Inklusion und vielfältige Unterrichtsformen nahtlos.

Das Gebäude wurde nach hohen energetischen Standards errichtet, die nahe am Passivhaus liegen. Eine thermische Gebäudehülle, Photovoltaikanlagen, energieeffiziente LED-Beleuchtung und moderne Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung gewährleisten geringe Umweltbelastung und niedrige Betriebskosten. Fassaden aus Holz, begrünte Außenanlagen und die Zwei-Feld-Sporthalle, die auch für den Vereinssport offensteht, schaffen ein naturnahes Umfeld und fördern Bewegung sowie Begegnung.

Sozialer Mehrwert als Fundament – Was bleibt, wenn der Bau vollendet ist

Der eigentliche Wert der Elisabeth-Selbert-Schule liegt im sozialen Mehrwert: Sie fördert Identifikation, Teilhabe und Chancengleichheit. Die offene Architektur stärkt das Miteinander, die Lernhäuser schaffen Geborgenheit und Zugehörigkeit. Das Projekt zeigt, wie nachhaltige Urbanisierung Lebensqualität stiftet – auch wenn man diesen Wert nicht immer auf den ersten Blick erkennt.

Mein Herz brennt ganz besonders für dieses Projekt, denn nun profitieren unsere Kinder von den Vorteilen des neuen Schulkonzepts mit neuer digitaler Technik.

Muna Aziz-Bilen

Meilenstein für nachhaltiges Lernen

Im September 2025 wurde der 1.Bauabschnitt eingeweiht, der 2. Bauabschnitt (Lernhaus für Sekundarstufe II) befindet sich derzeit in einer frühen Bauphase. Nach ihrer Fertigstellung wird die Elisabeth-Selbert-Schule zum neuen Mittelpunkt für rund 1.200 Schülerinnen und Schüler sowie 120 Lehrkräfte. Sie steht nicht nur für innovative Architektur, sondern auch für eine Investition in die Bildungszukunft der Stadt. 

Die Elisabeth-Selbert-Schule gilt als Vorbild für den Schulbau der Zukunft. Sie verbindet Innovation, Nachhaltigkeit und sozialen Mehrwert. Das Projekt unterstreicht, wie Architektur und Planung nachhaltiges Lernen prägen und Lebensräume schaffen, die weit über funktionale Anforderungen hinausgehen.

Auftrag

Das Projekt „ESS - Neubau der Elisabeth-Selbert-Schule mit 2-Feld-Sporthalle“ im Wiesbadener Stadtteil Dotzheim umfasst den Neubau eines Schulgebäudes sowie die Erstellung der Freianlagen. Dorsch Engineers wurde bei diesem Projekt von der Grundlagenermittlung über die Vor-, Entwurfs- und Genehmigungsplanung bis hin zur Ausführungsplanung beauftragt. Zu den weiteren Projektleistungen zählen das Aufstellen der Leistungsverzeichnisse und Kostenberechnungen, die Mitwirkung bei der Vergabe, die Bauüberwachung und die Objektbetreuung.

Flächen

Das Baugrundstück umfasst eine Fläche von ca. 18.150m², so groß wie zweieinhalb Fußballfelder. Die Außenanlagen nehmen die Formensprache des Gebäudes auf, sind mit dem Hochbau verzahnt und nutzen die Topografie für unterschiedliche Nutzungsangebote.

Die Grundfläche des Erdgeschosses beträgt ca. 6.600m², die Bruttogeschossfläche (BGF) ca. 20.200m², der Bruttorauminhalt (BRI) ca. 100.200m³.

Lernhäuser

Im Mittelpunkt des Schulkonzeptes stehen Lernhäuser: Sie umfassen Klassenräume, Gruppenarbeitsräume, Differenzierungsräume, in denen auf individuelle Lernbedürfnisse eingegangen werden kann, offene Lernzonen, Lehrerstützpunkte, Nebenräume sowie WC-Kerne. Das Raumprogramm für die Lernhäuser folgt zeitgemäßen pädagogischen Konzepten, wonach das Lernen in Clustern organisiert wird, also in Lernlandschaften mit mehreren zusammenschaltbaren, flexibel nutzbaren Klassenräumen. Das jahrgangsbezogene Lernhaus fördert die Gemeinschaft, bietet die Möglichkeit zum Austausch und zur Zusammenarbeit und vermittelt den Schülerinnen und Schülern Sicherheit und Identifikation. Um den grundlegenden Aspekt der Digitalisierung zu bedienen, soll in den Klassenräumen flächendeckendes WiFi, Smartboards u.ä. zum Einsatz kommen.

Photovoltaik

Auf den Flachdächern wurden Photovoltaik-Anlagen zur Eigenversorgung installiert. Der erwartete jährliche Ertrag beträgt ca. 93.000kWh.

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Topics

Architektur & Städtebau